Cookie Consent by Free Privacy Policy website

Fischerstechen

Beim Fischer- oder Schifferstechen handelt es sich um eine mittelalterliche Kampfsportart, die den ritterlichen Lanzenturnieren nachgebildet ist. Sie wurde von den Fischer- und Schifferzünften an den großen Flüssen und Strömen sowie an manchen Meeresküsten in ganz Mitteleuropa durchgeführt. Die Turniere mit allerlei theatralischem oder gauklerischem Beiwerk, wie dem festlichen Einzug, dem Fischertanz vor – und dem Gansspringen oder Fassl – Spiel während des Fischerstechens wurden als eigene Zunftveranstaltungen, wobei der Erlös zur Unterstützung bedürftiger Zunftmitglieder diente, manchmal zur Verteilung der Fanggründe oder als Programmpunkt bei sonstigen großen Festveranstaltungen, zum Beispiel bei Fürstenbesuchen oder ähnlichem abgehalten.

Das Grundprinzip des Turniers ist sehr einfach: Auf zwei Booten – an der Donau “Zillen” genannt, die parallel oder gegeneinander gerudert werden, wird je ein Lanzenkämpfer postiert, der versuchen muss, seinen Kontrahenten mit der Lanze ins Wasser zu stoßen. Da bei dieser Sportart niemals ein gemeinsamer Verband auf einheitliche Regeln hingewirkt hat, ist das Fischerstechen in den verschiedenen Regionen, die meist vom Einzugsgebiet der Flüsse begrenzt sind, extrem unterschiedlich. Es reicht vom Kampf auf großen 10-Mann-Ruderbooten mit scharfer Lanze und Schlid an der französischen Mittelmeerküste bei Sète bis zum reinen Gaudi – Stechen vom Urlaubsboot aus an manchen oberbayrischen Seen.

In Neuburg an der Donau wird die klassische Form des Stechens ausgeführt, bei der die Boote gegeneinander gerudert werden und der Stecher auf einer kleinen Plattform am Heck des Bootes mit einem Stoß versuchen muss, seinen Kontrahenten ins Wasser zu befördern. Er selbst muss dabei ruhig stehen bleiben und dem Gegner die Brust zum Ansetzen der gepolsterten Lanzenspitze bieten. Das Boot wird von dem Steuermann und zwei Ruderern mit sog. Stacherrudern gerudert. Die Mannschaft trägt eine der alten Zunft nachgebildete Tracht, der Fischerstecher ist in die Farben der Stadt (rote Schärpe, weißes Hemd und blaue Hose) gekleidet.

In vielen Orten hat das Stechen eine alte Tradition, die oft bis ins 14. oder 15. Jahrhundert zurückreicht. So ist das berühmte Fischerstechen in Ulm, das von der dortigen Fischer- und Schifferzunft ausgeübt wird, mindestens 500 Jahre alt und die Oberndorfer Schifferschützen an der Salzach – einst eine Miliztruppe des Salzburger Erzbischofs zum Schutz der Salzschifffahrt – kann ihr Bestehen bis ins 13. Jahrhundert zurück verfolgen. An diesen Orten mit großer Tradition wird das Stechen in den historischen Trachten und nach altem Brauch durchgeführt.

Die Fronfischer der Haupt- und Residenzstadt Neuburg an der Donau, die auch die Handelsschifffahrt auf der Donau betrieben haben, hatten ihre Fischrechte als Lehen von den Neuburger Pfalzgrafen. Sie waren daher zu Hofdiensten verpflichtet. So wurde das Fischerstechen als besondere Attraktion bei Besuch auswärtiger Fürstlichkeiten, zum Beispiel als Kaiser Leopold 1790 in Neuburg weilte, mit großer Pracht aufgeführt. Nach 185 Jahren wurde dieser Brauch von einer Neuburger Bürgerinitiative – den Fischergaßlern – wieder aufgenommen. Sie führt seitdem das Fischerstechen zusammen mit einem Straßenfest in der Fischergasse alljährlich im Mai durch. Am Turnier auf der Donau unterhalb des Schlosses nehmen meist in historischen Trachten und begleitet vom ebenfalls historisch gewandeten Fanfarenzug Mannschaften aus Bayern, von der Donau, vom Main, von den oberbayrischen Seen, aus dem Salzburger Land in Österreich und aus Frankreich, insbesondere aus der Partnerstadt Sète sowie aus Zürich in der Schweiz teil. Auch die Neuburger Mannschaft ist an diesen Orten anlässlich von Gegeneinladungen bei Turnieren vertreten.